JUNGFERN-FAHRT



Und wiederum hatte Frau Brotbeck das Vergnügen, einer sonntäglichen Ausfahrt beizuwohnen, die den Überraschungsmomenten ihres Mannes unterlag, welcher Weg und Zielort des Verweilens bestimmte.

So fuhr man schwungvoll aus dem Süden Stuttgarts in Richtung Mineralbad LEUZE, wo man auf selbiger Höhe am Neckar entlang zur WILHELMA abbog.

Es war jener Tage im August, der im Lande der Forscher und Denker zum „FAHRZEUG-BLITZER-MARATHON“ zählte, welcher gut gelaunte Gäste mit „Schnappschüssen am Lenkrad“ beglückte und zur gleichen Zeit ein internationales „Feng-Shui*-Ranking“ in Sachen Harmonie und Lebensqualität ,,aufbesserte”!?

International war auch die Szenerie entlang des Max-Eyth-Sees, welche mit Picknickkörben und Grill-Accessoires Entschleunigung* zelebrierte und zu gleicher Hand in die gastlichen Idyllen gemütlicher Neckar-Lokalitäten einlud.

 So kam es, dass man sich nicht ganz ohne Vorahnung in Neckar-Rems auf einer Nostalgie umwobenen Terrasse mit Seitenarm zum Neckar niederließ und sehr freundlich mit kühlen Getränken und einem Espresso doppio verwöhnt wurde. Es war dieser Schifferclub, der zur stillen Romantik bat und dabei Gespräche beflügelte, die den vergangenen, regionalen Geschichten die Segel zu setzen schienen.

Denn genau in dieser Stille war der Geist beflügelt, in die Vergangenheit zu reisen, in der Frau Brotbeck des Öfteren nach Remseck kam, um den größten Freigeist seiner Zeit zu treffen. Dieser hatte in einer spontanen Aktion beschlossen, ein Ruderboot aus Holz zu zimmern, um es eines schönen Tages in der Nähe des Schifferclubs zu Wasser zu lassen. Einige Freunde schlossen sich der ersten Jungfernfahrt an und begleiteten den alten „Leiterwagen mit Boot“ feierlich bis zum Neckarstrand. Hier bot sich eine Szenerie, die dem alten Maler Renoir* gerade recht gekommen wäre.

„Bootsmann mit Dame“ wäre wohl die Bezeichnung, welche sich nur schüchtern den Planken nähert und dem Lächeln ihres „Kapitäns“ nur zögerlich vertraut. Der Einstieg war getan und endete sogleich, nach fünfzig Metern an Fahrt, auf der Gegenseite im Restaurant „Zum Hechtkopf“. Nach kühlem Getränk war man wieder zurück und nun hatte Frau Brotbeck das Vergnügen des Entrees.

Das Ruderboot ähnelte einem irischen „Curragh*“ mit edler Holzbeplankung. Zwei Sitzbänke stabilisierten den Innenraum und gewährten ein leichtes Bewegungsspiel am Rande der beschaulichen Neckarvegetation. Die Stabilität in Sachen Gleichgewicht war durch die Steilheit des Rumpfes etwas fragil, wurde aber durch ein selbstsicheres „Ruder-Handling“ seitens des Kapitäns anfänglich entkräftet. Denn nach den ersten vierhundertfünfzig Metern verband sich der Genuss der Fahrt mit beidseitigem, gleichzeitigem Bewegungsdrang in die gleiche Richtung, bei gleichbleibender Rumpfneigung - gleichwohl unumkehrbar!

 In der Manier eines Freigeistes stand auch das Kentern mit auf dem Plan! Gemeinsame Freude schwappte in herzhaftes Lachen über, nachdem man wieder festen Uferboden unter den Füßen spürte. In Windeseile war der „Kahn“ durch Kippen und Aufstellen im Morast entwässert und die Rückfahrt in getränkter Kleidung gesichert! Die Ufergäste waren überschwänglich vor Freude und empfingen die etwas zerzausten Ankömmlinge mit irischem Bier und fein gegrillten Köstlichkeiten. Frau Brotbeck bedauerte rückblickend, dass Renoir die Szenerie nicht im Bild verewigen konnte.

Ihr blieb nur dieses „Passbild mit Ehemann“ hinterm Steuer.

 

Au revoir!

  


*Feng-Shui: Asiatische Lehre der Harmonie von räumlicher Umgebung und Umwelt. Die Lenkung des Chi zum Wohlbefinden der Lebewesen hat oberste Priorität. Die möglicher Weise nicht fassbare Form des Chi könnte sich in der Ahnung, im Gefühl, der Intuition und Träumen verbergen.

*Entschleunigung: Temporeduzierung - um Reize bewusster wahr zu nehmen und Überforderungen nervaler Art zu vermeiden. (Auf körperlicher Ebene z.B. in der Systematik von Moshe Feldenkrais zu finden..siehe YOUTUBE).

*Renoir, Pierre-August: 25.02.1841 - 3.12. 1919 in Cagnes-sur-Mer, Côte d´Azur. Einer der bedeutendsten französischen Maler des Impressionismus. Berühmte Werke: “Das Frühstück der Ruderer”, “Nach dem Mittagessen - La fin du déjeuner”.

*Curragh: Traditionelles irisches Boot mi leichtem Holzgerippe, mit Leder oder Leinwandbespannung, geteert. 4,80 - 5,50m lang etwa 1m breit. (Wikipedia)

 

Collage avec esprit libre.

 

 

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