TANGO INTERRUPTUS

PRAGER STRAßE, LEIPZIG 2008

 

. . . und wieder mal brachen wir als kleine “Tango Compania” in der Prager Straße in Leipzig bei einem der freundlichsten Tangueros ein, um ein paar Tage leidenschaftliches Asyl zu genießen.

Spontan, muss ich sagen, kam alles zum Gelingen und war in einem Klang. Ohne Drang kamen wir zum Singen und genossen rauchigen Whiskey aus “Mädlers Passage”! Der Drang zum Tanz stieg in die Beine hinab und nach etwas Parfüm und kleinen Veränderungen der Garderobe waren wir bereit für unsere erste, Leipziger, MILONGA!

. . . eine kleine Sporthalle, so schien es mir. Schmal beleuchtet mit großräumigen Terrassensitzplätzen. Nach einigen Tänzen untereinander, dem sogenannten “Tango del Companieros”, waren wir bereit für fremden Blickkontakt! Und dieser eine Blick,war mir gegönnt. Eine Tänzerin aus Konstanz. Kurze Worte . . . und die leise Andeutung, dass mein eingeforderter Tanz ein sehr Anspruchsvoller wäre,. . . NON-TANGO!! Ich zögerte,. . . Worte konnten jetzt nichts mehr sagen. Eine sanfte Umarmung, sparsame Schrittfolgen und hier und da eine kleine, geforderte Arythmie. Mit Hinblick auf weitere Tänze öffneten wir die Umarmung der genossenen Tanzrunde.

Am Terrassenrand beobachtete ich mit Staunen die darauffolgende Tanz-Show. Akrobatik! Aber auch vibrierende Langsamkeit. Immer wieder standen Frauen auf und ließen sich, vom Blick eines Mannes, auf die Tanzfläche führen. Eine Dame nahm an meiner Seite Platz und beschwerte sich zugleich über die, aus der Ferne scheinende Eingangsbeleuchtung! Wie ein kleiner Seufzer klang dies in meinen Ohren, der da sagen wollte:“Befreie mich aus diesem Licht-Strahl”!! Sofort bat ich Hilfestellung, über eine direkte, dezente Aufforderung zum Tanz. Die große Erscheinung mit langem, blondem Haar, willigte ein. ( . . . im Unterbewusstsein klang noch die Frage nach, ob ich denn tanzen könne, doch diese wurde erst durch heitere Rollenspiele am frühen Morgen, in unserer “Campania”, an den Tag gebracht).

So standen wir nun am Rande des Tanzbodens, auf dem gerade mal ein wenig Salon-Tango möglich war. In dieser beengten Runde versuchte ich nun eine vorsichtig-sanfte Verbindung herzustellen, um unseren ersten Schritt zu wagen. Doch seltsamer Weise wurden wir durch eine schnellkräftige, eher autistisch anmutende Armbewegung, getrennt. Gespannt erwartete ich schon, eine neue Variante, mit Führung der Frau, im modernen “Fusion-Stil”!!

Doch weit gefehlt! Aus heiterem Himmel empfing ich einen spitzen Fingernagel unterhalb meines Bauchnabels. Ich dachte an eine Parodie von Stan Laurel & Oliver Hardy, doch bevor ich diesbezüglich reagierte (diese Option besprachen wir in der “Compania”) bekam ich zu hören, dass ich doch bitte schön.. . meinen Bauch einziehen sollte! Verblüfft folgte ich gehorsamst und nahm “Hab-Acht-Stellung” ein. Nun, als deutscher Soldat gekennzeichnet, versuchte ich, meinen zweiten und dritten Schritt, auf ein Neues. Doch diese gespannte Bauchdecke zeigte einen synergistischen Effekt* eines nicht gerade… beweglichen Kopfes und dieser geriet postum ins Kreuzfeuer der Kritik! “Du drückst zu stark mit deinem Kopf”! Noch immer war ich “Guter Dinge” und dachte an Chico´s entspannte Wampe. Mit seinen Worten im Ohr .. ”RELAX” versuchte ich eine leise Drehung, ganz aus der Körpermitte heraus, aber auch dies war ein Hauch zuviel an Zug. “Du ziehst zu stark mit deinen Armen”!

Ich dachte an Lehrerin oder Physiotherapeutin, an Bauch-Beine-Po-Programm, aber…, nicht mehr an Tango. Und als mich nun die “Langeweile der direktiven Belehrung” erreichte, war auch schon der erste Tango vorüber. Ein weiterer folgte, doch ich wollte nicht mehr folgen! Meine entfernten Gedanken vernahmen noch, inmitten des zweiten Liedes, ein leises: “Lass uns dies beenden”! Entzückend, dachte ich. Sie konnte also doch… . Gedanken lesen, Mimik verstehen, auf leisen Wegen gehen.. .was für eine gute Tänzerin. “Du wirst doch jetzt nicht”… vernahm ich noch.. . Ich war am Abtreten, als “Braver Soldat Schweig” war meine Arbeit getan.“Und wenn dein Herz auch blutet”… da war sie wieder, diese Asociacion zu “Sutemi-Waza”*. Dem “Sich opfern” zu beidseitigem Wohlergehen.

Jigoro Kano*.

Sie nahm mich in den Arm, diese neue Dame aus Göppingen und schwieg! Alles war gesagt!

 

*synergistisch (gr.) Zusammenhängend.

*Sutemi Waza (jap.) Selbstfalltechnik im JuDo

*Jigoro Kano; Begründer des JUDO



 
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