BLAUE REITER

 

Und wieder einmal hatte Madam Tomtcik das Vergnügen, mit einer kleinen Delegation aus Geschäftsleuten des Steinmetz-Handwerks ein Museum zu besuchen, welches umrahmt von Bergen, einer malerischen, idyllischen Ruhe unterlag. Der griechische Gott, Kairos, beschwor am Eingang als Statue in Bronze von Bruno Wank erschaffen, den richtigen Augenblick von Betrachtung und Erkenntnis, im Reigen der Kunst, Wolfgang Beltracchis! Dieser berühmt berüchtigte Name der Kunst-Welt stand für täuschend echte Bild-Kopien, Virtuosität der malerischen Technik und für den Betrug von Kunst-Sammlern und Auktionshäusern.

Trotz alledem war diese Unterammergauer Kunsthalle der Zugang in die geläuterte Seele Wolfgang Beltracchis, nach seinem geständigen “Mea Culpa”* und einer dreißig Millionen Euro Rückzahlung. Die Genialität lag jetzt nicht mehr in der Kopie des verschollenen Werkes vergangener alter Meister, sondern in szenenhaften, imaginären Darstellungen historischer Befunde. Begegnungen zwischen Nietsche und der Schriftstellerin Lou von Salomé* im Petersdom oder die Versammlung der Kunstgruppierung “Blauer Reiter”* vor dem “Russenhaus”* in Murnau, waren nun real dargestellte Themen-Werke Beltracchis, die den Betrachter verzauberten.

Und so fand sich Madam Tomtcik plötzlich inmitten dieser bunten “Reiter-Komposition” von eigenständigen Expressionisten, die eine Farb-Welt erschaffen hatten, welche dem Gefühls- und Seelenleben einen Hauch an Freiheit zu implantieren wagte.

Frei fühlte sich Madam Tomtcik diesbezüglich, in aufrechter Haltung sitzend, wie die Herren im Bilde, die Füße am Boden, ruhend. Das Gemälde hatte sie in die Welt der Sensitivität und Neugierde transportiert. Ihre rechte Fußsohle pendelte vom Außenrist auf die Innenkante. Sie spürte dass sich ihr Becken dabei leicht mit drehte. Es waren kleinste Diagonalbewegungen. Auch ihr Kopf ließ sich mit der Verlagerung des Gewichtes an den Fußsohlen in Verbindung bringen.

War dieses gelassene Beobachten von interagierenden Bereichen ihres Körpers der Schlüssel zur eigenen Körper-Welt* um nicht zu sagen “Universum”? Madam Tomtcik war verblüfft.

Sie konnte aufrechter stehen, das Bild in anderem Lichte sehen, selbst Franz Marc schmunzelte “heller”. Eine Ode an die Freude erklang in ihr, die “Blauen Reiter” hatten ihren Auftrag erfüllt. Vom Einklang der Farben bis zur Erkenntnis des Universums. . .

ohne Teleskop!

 

*Mea Culpa: lat. “meine Schuld”. Im kirchlichen Kontext, Ausdruck der Reue oder der Anerkennung eines Vergehens (Fehlers).

*Lou Andreas-Salomé: * 12.02.1861 Sankt Petersburg, + 5.02.1937 Göttingen; Schriftstellerin, Erzählerin, Essayistin und Psychoanalytikerin aus russisch-deutscher Familie.

Filmtipp: LOU von Cordula Kablitz-Post.

*Russenhaus: Von Murnauer Bewohnern, auf Grund von Wassily Kandinskys russischer Herkunft, Russenhaus genannt. Eigentlicher Wohnort von der Künstlerin Gabriele Münter.(Münter-Haus)

*Blauer Reiter: Künstlergruppe die sich 1911 in München gründete. Namensgeber der Gruppe waren Wassily Kandinsky und Franz Marc. Beide hatten die Vorliebe für blaue Farben. Weitere Mitglieder waren Gabriele Münter, August Macke sowie Paul Klee.

*Der Schlüssel zur eigenen Körper-Welt: Moshé Feldenkrais beschreibt in seinem Buch “Die Entdeckung des Selbstverständlichen”einen Prozess der Funktionalen Integration, welcher den Zugang zu tiefsten Kinästhetischen Empfindungen beschreibt. (Verlag Suhrkamp,S.208)


Collage.

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LA VITTORIA.