BROTBECK goes BACHMANN


 

Und wieder einmal führte die Reise nach Kärnten. Um genauer zu sagen des Ersteren nach Seeboden am Millstätter See, wo sich variantenreiche Kulinarik, entspannte Gastlichkeit und eine unvergessene See-Rundfahrt im hoteleigenen Privatschiff zu einem bezaubernden „Stelldichein“ verband. Frau Brotbeck schätzte solche Stippvisiten der Verführung, kannte sie doch aus eigener Erfahrung das Gegenspiel, den pflegerisch exponierten Alltag und seiner „Milieu geprägten Rauhigkeit“, sehr gut.

Mentale Bilder und Geschichten dieser besagten „Rauigkeiten“ waren stetige Begleiter, doch im Laufe der Zeit wurden sie schwächer, sanfter, ja stellenweise humorvoll. Der Umgang im pflegerischen „Milieu“ wirkt härtend und formt über kurz oder lang den literarischen Begriff der „Resilienz“! So war es leicht, sich den Genüssen der allumfassend feinen „Seeboden-Hotellerie-Wohlfahrt“ zu entziehen, um einer Einladung zu folgen, die noch weiter in den Süden Kärntens, im genaueren nach Trettnig am Wörthersee führte.

Eine kleine kärntnerische Delegation, bestehend aus einer Journalistin, einem Geschäftsmann und einem Kriminalisten hießen Frau Brotbeck und ihren Mann auf das herzlichste Willkommen. Im idyllischen Garten wurde nun gespeist, Geschichten erzählt und alte Kärntner Lieder gesungen, die von leisem Froschquaken begleitet wurden. Die Dämmerung war herbeigesungen und legte sich über den hauseigenen Naturteich, in welchem die besagten Frösche des Öfteren von freundlichen Schlangen zum Tanze aufgefordert wurden!

Am nächsten Tag verließen Frau Brotbeck und ihr Mann die schöne Unterkunft in der Klagenfurter Magazingasse, schlenderten an kühlen Parks vorüber, die magnethaft in die Wiener Gasse lenkten, wo Kühle und Gaumenfreude in der Eisdiele Greissler, verschmolzen.

Am naheliegenden Lindwurmbrunnen gesellte sich Landesgeschichte, zu schattig, kühlen Parkbänken, die zum Ausruhen einluden und dennoch im Reigen des Drachens, die Neugierde befeuerten.Und diese Neugierde ließ die Blicke der beiden Neuankömmlinge umherschweifen, vorbei an Cafes und Trafiken, klassizistischen Fassaden, bis hin zur westlichen Seite des Neuen Platzes, wo das Alte, Neue Rathaus sich imposant mit Rundbogenportal in Chlorit-Schiefer präsentierte, die flankiert von Bannern, die „Tage der deutschsprachigen Literatur“ ankündigten.

Welch Zufall schien sich hier zu bündeln!?

Bestünde möglicher Weise die Gelegenheit, den Wortakrobaten, Dichtern und Autoren im selbigen Raum beizusitzen und ihnen auch noch zu lauschen, dachte Frau Brotbeck, insgeheim.

Lust und Interesse mussten jetzt auf Zufall, Handlungs-Kompetenz und Entschlossenheit treffen. Die „Trettnig-Delegation“ wurde von den Lesungen zum Bachmann-Preis informiert und beeindruckte mit zeitnaher Terminierung zum gewünschten Lese-Event. Nicht ganz unbeteiligt war natürlich die Delegationsleiterin, die Jahrelang dem ORF journalistisch beistand! Und dieser Beistand war wohl der Schlüssel für die letzten drei Sitzplätze und dem freien Blick zu Fernsehkameras, Regie-Assistenten, der hoch dekorierten Literatur-Jury und der Literatin* selbst, an ihrem weiß glänzenden Lesepult.

In stoischer Gelassenheit wurde gelesen, akribisch, fehlerfrei, emotional kühl, als wäre die Literatin selbst Beobachterin dieses umrissenen Ost-West „Kuhhandels“ gewesen, in welchem die „alt-maroden“ DDR-Paläste schon vor der „Wende“ verschachert wurden. Dieses Schachern und Buhlen am sich anbahnenden Zerfall der DDR wurde literarisch komplex behandelt und sogar der „Teufel“ in Frauengestallt wurde an seinen Stiefeln mit Ziegenleder erkannt, so die Jury!

Dann kam PIEKAR*! Emotional, laut, sprachlich vielseitig aufgestellt, riss er die Zuhörerschaft in seinen Bann. „Mit Wänden sprechen/Pole sind schwierige Volk“, war erzählerisch geformte Literatur und griff im Zwiegespräch die Probleme einer alkoholkranken Mutter mit leidvoller Vergangenheit und ihrem „spielsüchtigen“ Sohn auf, der an ihren Selbstgesprächen verzweifelte und mit eruptivem „SCHREI“ das Publikum aufschreckte. Nach dieser „Befreiung“ war es still geworden im Hörsaal und literarische Spannung löste sich im Verständnis des historischen Psychogramms, der Mutter zu ihrer Mutter, auf.

Freudig aufgelöst verließ man den ORF, sinnierte, besprach im Austausch miteinander die Themen der „Vettern-Wirtschaft“,literarischen Spannungsbögen zwischen “psychischem Tick”, „Schizofrenik“ und dem „Putzfimmel“*, dem es zum Bachmann Preis reichte.

Frau Brotbeck schmunzelte in Anbetracht dieser prämierten Spannungsfelder, die in der Pflege tagtäglich ertragen werden und zu keinem Preis führen.

Die Delegation prostete mit Weißgespritztem!

 

  

*Literatin: Verfasserin eines Werkes der Literatur. Hier im speziellen, Sophie Klieeisen.

*Martin PIEKAR: Gewinner des BACHMANN - Publikumspreises 2023.

*”Putzfimmel” : Thematische Reduktion des Wettbewerbsbeitrag von Valeria Gordeev, mit dem Titel “ER PUTZT” erhielt sie den Ingeborg-Bachmann-Preis 2023.

 

 

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